Internetzeitung www.lokales-live.de, 26.04.2008
Grachmusikoff: Brilliante Schau vor dankbarem Publikum




Mitten unterm Volk: Grachmusikoff im Otto-Riethmüller Haus.
Das muss so sein, wenn man dem Volk aufs Maul schauen will. Hansi Fink, Alexander Köberlein und Georg Köberlein (v. links).
Foto: Hans Peter Schneider


Die großen Revoluzzer, die Weltverbesserer sind sie nicht mehr – die Köberlein-Zwillinge im Verbund mit Hansi Fink, die als Grachmusikoff-Trio gestern Abend zur Eröffnung der Cannstatter Mundarttage im Otto-Riethmüller-Haus antraten.

20 Jahre Dudelsäckle, 30 Jahre Grachmusikoff – das passte Dudelsäckle-Chef Peter Hinderer gut ins Konzept, dass es gerade der Mitjubilar war, der
engagiert werden konnte.

Die Herren sind älter, sind reifer geworden, nachdenklicher, witziger, filigraner,  wenn es angesagt ist, auch ein bisschen ordinär, haben aber auch nichts vergessen von ihrem Kampf gegen die Altvorderen, die Repräsentanten des oberschwäbischen Klerus. Sie erzählen zumeist im Dialekt, mit kleinen Ausflügen ins Englische und unnötigerweise ins Hochdeutsche von den Machtspielen der Mächtigen, von der Monotonie des Lebens in einem Dorf, von den Hackordnungen in so einer Gesellschaft und von den Außenseitern.

Das alles in gewohnt präziser Beherrschung der unterschiedlichen Instrumente, eines sicherlich einstudierten Dialogs, der trotzdem witzig ist. Sie lassen die Zuhörer teilhaben an den Schmonzetten der Jugend und fetzen bei Bedarf einen unter die Haut gehenden Blues, verlaufen sich musikalisch in Lateinamerika, steigen ein in die abstruse Welt des Silbereisen Flori, des Borg Andy und des Hinterseer Hansi und kehren zu dem zurück, was die Drei am glaubwürdigsten macht - zur Ballade.
Sie erzählen vom Aufstieg auf der gesellschaftlichen Leiter im oberschwäbischen Dorf, der mit der Mitgliedschaft in der Freiwilligen  Feuerwehr seinen Höhepunkt erreicht hat. Sie schaffen es, ihre Zuhörer nachdenklich zu machen, wenn sie ihren Song über den Bauernkrieg, dessen brutale, blutrünstige Niederschlagung in ihrer Heimat bringen oder die Geschichte von dem ausgenutzten Outsider, der bloß „hot fliaga wella iber d`Alb“.

Wenn sie sich an den „Großen Büffel“ erinnern, der heute mit der Aktentasche durch den Flecken hetzt, die Squaws, die heute das dritte Kind im Kinderwagen spazieren fahren, spürt man etwas von der Wehmut über zerplatzte Träume.

Jeder, der schon mal in Südfrankreich Camping gemacht hat, fühlt sich verstanden, wenn von stinkenden Toiletten, überfüllten Mülleimern und auf Hochtouren betriebene Ghetto-Blastern gesungen wird.

Die Köberlein- Zwillinge marschieren auf die 60 zu - der Hansi Fink hat da noch ein bisschen Zeit -  und in ihren Texten verhehlen sie nicht, das man den Tod als Fakt nicht mehr verdrängen kann. Und bei ihren musikalischen Auseinandersetzungen mit der Religion blitzt die Weisheit des Alters durch, dass man nicht alle Verfehlungen seines Bodenpersonals dessen Chef anlasten kann.

Es war ein amüsanter Abend, ein unterhaltsamer – hängengeblieben sind die nachdenklichen Töne eines Trios, dass alles gibt, das erst nach zwei Zugaben von der Bühne durfte und das so gefragt ist, dass es rund 70 mal im Jahr im Ländle landauf und ab gehört und gesehen werden kann.

Hans Peter Schneider


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